Wechsel an der Spitze: Bain & Company, die Nummer drei unter den weltweit tätigen Anbietern von Management Consulting, bekommt einen neuen Chef. Der 51-jährige Flame Christophe De Vusser soll im kommenden Juli den Amerikaner Manny Maceda als Managing Director ablösen, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der Firma. Der Belgier wird der erste Europäer in Bains 50-jähriger Geschichte sein, der die Firma steuern darf.
Bain unterhält derzeit über 60 Büros in 40 Ländern Ländern und beschäftigt weltweit etwa 19000 Mitarbeiter. Den Umsatz gibt der in der US-Ostküstenmetropole Boston ansässige Beratungsriese nicht offiziell bekannt – ganz so wie Konkurrent McKinsey & Company. Das Manager Magazin schreibt ohne Angabe einer Quelle, Bain habe seinen Jahresumsatz von etwas mehr als drei Milliarden US-Dollar (etwa 2,7 Milliarden Euro) im Jahr 2018 auf etwa sechs Milliarden Dollar im vergangenen Jahr steigern können. Den Umsatz von McKinsey beziffert das Magazin mit „etwa 16 Milliarden Dollar“. Boston Consulting habe fast zwölf Milliarden Dollar Umsatz erzielt.
Laut der Firmenmitteilung hat Maceda Bain & Company „durch eine Phase beschleunigter Expansion“ geführt. In der Tat: Die Consultants haben in den vergangenen Jahren nicht nur Umsatz und Mitarbeiterzahl kräftig gesteigert, sondern auch eine ganze Reihe von kleineren Beratungsfirmen gekauft, sich an Firmen beteiligt sowie strategische Partnerschaften aufgebaut. Die Firma lobt den scheidenden Chef auch deswegen, weil er Bains „einzigartige Kultur der Zusammenarbeit“ gefördert und der Firma geholfen habe, „Auszeichnungen als einer der besten Arbeitgeber der Welt“ zu erhalten.
Keine überzeugende Antwort
Überzeugendes Lob klingt bei Consultants jedoch anders. Und wenn Bains Erfolg tatsächlich vor allem Maceda zuzurechnen wäre: Nach den Statuten der Firma wäre es durchaus möglich, den 61-Jährigen weitere drei Jahre an der Spitze zu lassen. Aber jenseits der Altersgrenze 60 wird man in der schnelllebigen Beraterbranche meist aufs Abstellgleis rangiert. Da wäre Maceda wirklich kein Einzelfall. Viele Chefs großer Beratungsfirmen mussten Jüngeren Platz machen, obwohl sie gerne länger auf der Kommandobrücke geblieben wären. Vermutlich aber hat der scheidende Bain-CEO auch keine überzeugende Antwort auf die akuten Probleme seiner Firma gefunden.
Rückblick: Die Bainies, wie sich Bains Consultants gerne nennen lassen, hatten es nie leicht. Zuerst litten sie unter dem geringen Bekanntheitsgrad des 1973 als Spin-Off von Boston Consulting gegründeten Beratungshauses. Und: Mitte der 1980er Jahre hatten Mitgründer und Namensgeber Bill Bain sowie weitere Partner Bain & Company durch einen ruinösen Mitarbeiterbeteiligungsplan fast in die Pleite getrieben – siehe ConsultingStar, Bericht vom 22. Januar 2018.
Hinzu kommen einige unsaubere Aktivitäten, die Bains Ruf schwer schadeten – vor allem die Verwicklung in den größten Korruptionsskandal in der Post-Apartheid-Geschichte Südafrikas. Das Ausmaß der dort von den Consultants begangenen Verbrechen veranlasste sogar die britische Regierung im August 2023, Bain & Company für drei Jahre für die Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand zu sperren. In Südafrika sind die Consultants bis Ende 2032 von Regierungsaufträgen ausgeschlossen.
Und auch jetzt bläst den Bainies wieder der Wind ins Gesicht. Grund: Die Firma macht Schätzungen zufolge gut ein Viertel ihres Umsatzes mit der Beratung von Private-Equity-Firmen und anderen Finanzinvestoren. Dieses Geschäft florierte in den vergangenen Jahren dank der Politik des billigen Geldes wie noch nie zuvor. Die Akteure der Branche legten immer größere Fonds auf, begeisterten ihre Geldgeber mit erfolgreichen Exits und vergaben immer neue, lukrative Aufträge an die Consultants. Doch mit der Zinswende hat dieser Boom ein abruptes Ende gefunden.
Ein gigantischer Berg mit „trockenem Pulver“
Dennoch hoffen die Bainies, dass der Abschwung nur eine kurze Verschnaufpause der Branche darstellt. Sie rechnen fest damit, dass ihre besten Kunden in der zweiten Hälfte dieses Jahres wieder kräftig investieren und Aufträge vergeben werden. Nicht ohne Grund: Schließlich sitzen die Private-Equity-Firmen auf einem gigantischen Berg von über vier Billionen (!) US-Dollar nicht investierten Kapitals. Die Consultants sprechen von „trockenem Pulver“ – so heißt es jedenfalls in einer aktuellen Studie von Bains Private-Equity-Experten.
Die Hoffnungen ruhen aber nicht zuletzt auch auf dem als scharfsinnig, äußerst ehrgeizig und extrem erfolgreich beschriebenen Christophe De Vusser (Foto oben). Der Flame leitet zurzeit Bains Private-Equity-Practice im Raum Europa, mittlerer Osten und Afrika. Außerdem ist er Mitglied im Management Board von Bain. Zuvor war er Chef des Brüsseler Büros der Firma, wo er dafür gesorgt haben soll, dass sich der dortige Umsatz verdoppelte.
De Vusser verfügt über einen Master-Abschluss in Bauingenieurwesen und einen weiteren Mastertitel in mehrsprachiger Wirtschaftskommunikation, beide von der Universität Gent. Der designierte Bain-Chef ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt derzeit in Belgiens Hauptstadt Brüssel.
Für seine Familie dürfte De Vusser jetzt nur noch wenig Zeit finden. Nicht nur, weil er Bains Geschäft ankurbeln muss. Er hat auch einiges zu tun, um den lädierten Ruf seiner Beratungsfirma wieder aufzupolieren. Da kommt ihm sicher ein Auftritt im Schweizer Nobelskiort Davos ganz recht, wo das World Economic Forum wieder ein Treffen der weltweiten Wirtschaftselite ausrichtet. Als Redner ist zwar der scheidende Bain-CEO Maceda angekündigt. De Vusser wird es sich jedoch nicht nehmen lassen, ebenfalls Flagge in Davos zu zeigen.
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11. Januar 2024, Text: pan, Firmenfoto: Bain & Company